Sapere aude!

 

Leseprobe aus:

 Erich Foerster
Rechenschaft über den christlichen Glauben
im Schatten des Dritten Reiches

Werner Zager (Hg.)



Einführung

Geprägt durch seine Lehrer Adolf von Harnack und Julius Kaftan, wusste sich Erich Foerster (geb. 4. November 1865 in Greifswald, gest. 12. Oktober 1945 in Frankfurt am Main) zunächst der liberalen Theologie verbunden. So absolvierte er sein Vikariat bei Martin Rade und unterstützte diesen bei der redaktionellen Arbeit für die kulturprotestantische Zeitung „Die Christliche Welt“, in deren Freundeskreis er seine theologische Heimat fand. In den Jahren von 1891 bis 1903 war er als Herausgeber der „Chronik der Christlichen Welt“ tätig.

Von 1895 bis 1934 Pfarrer der Deutschen evangelisch-reformierten Gemeinde in Frankfurt am Main, entfremdete sich Foerster allerdings seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts von seinen bisherigen liberal-theologischen Grundanschauungen. Stattdessen öffnete er sich der dialektischen Theologie Karl Barths. In dessen offenbarungstheologischem Ansatz erkannte er „eine Schutzwehr“ vor dem Versinken der Theologie in Relativismus und Skepsis. Jedoch übte er Kritik daran, dass Barth auf die Grundsätze seiner Theologie „einen wahren babylonischen Turm von Dogmen aufgebaut“ habe.

In der Barth’schen Theologie sah Foerster eine der Grundtendenzen der Theologie Albrecht Ritschls, als deren Schüler er sich verstanden hatte, zu ihrem Recht kommen, und zwar, „daß der christliche Glaube keine Religion sei, welche das über Welt und Leben liegende Dunkel „vom Menschen her zu durchdringen und aufzuhellen“ suche. Ähnlich wie der frühe Barth begriff er den christlichen Glauben „als absolutes Paradox, als ‚ganz Anderes’, als Wunder, als Wirkung der Offenbarung, die wie eine Senkrechte auf die geschichtliche Linie aufstößt, aber in keiner Weise durch diese hervorgebracht oder bedingt ist“. Zwar wusste sich Foerster als Kirchenhistoriker stets der historisch-kritischen Methode in der Theologie verpflichtet und lehnte die in der Barth-Schule aufkommende Neoorthodoxie ab. Das hinderte ihn aber nicht daran, die Barth’sche Theologie „als eine Rückkehr zu den im 19. Jahrhundert vielfach verlassenen und verleugneten Wahrheiten der Reformation und als einen heilsamen Bruch mit der Aufklärung und all ihren Folgen zu betrachten“.

Von daher ist es nur folgerichtig, dass Foerster von Anfang an der Bekennenden Kirche angehörte. Auch beteiligte er sich an deren illegalem Predigerseminar in Frankfurt.

Innerhalb der Frankfurter Gruppe der Bekennenden Kirche leitete er 1935 eine theologische Arbeitsgemeinschaft, aus der heraus eine Schrift entstand, welche seinerzeit nicht zum Druck gelangte. Wie bereits der Titel erkennen lässt, geht es Foerster in seiner Schrift über die Augsburgische Konfession nicht allein um eine Einführung in Entstehung und Gehalt dieses grundlegenden evangelischen Bekenntnisses. Vielmehr richtet sich sein erkenntnisleitendes Interesse darauf, inwiefern sich die Situation damals, die zum Bekenntnis nötigte, mit der eigenen von der Bedrohung durch den Nationalsozialismus bestimmten vergleichen lässt. Wie vier Jahrhunderte zuvor sieht der Frankfurter Theologe den christlichen Glauben mit einem anderen, ja antichristlichen Glauben konfrontiert. In hellsichtiger Weise wird von ihm die nationalsozialistische Ideologie als neue Religion entlarvt, dazu erdacht, um den Totalitätsanspruch des NS-Staates zu stützen.

Dabei gelingt es Foerster, den Gegensatz zwischen der christlichen Religion und dieser neuen Pseudoreligion in aller wünschenswerten Klarheit herauszuarbeiten. Jedoch könne dem nationalsozialistischen Angriff nicht mit den alten Bekenntnissen, sondern nur mit einem neuen begegnet werden. Dabei ist hier sicher nicht zuletzt an die Barmer Theologische Erklärung von 1934 zu denken. Dass Foerster angesichts der neuen Herausforderung zum Bekenntnis gerade auf die Augsburgische Konfession Bezug nimmt, ist darin begründet, dass es sich hier speziell um ein deutsches Bekenntnis handelt. Und auch 1935 sind es die deutschen Protestanten, wegen des grundsätzlichen Angriffs auf das Christentum überhaupt sogar alle Christen in Deutschland, die zum Bekennen verpflichtet seien.

Als „wider Gottes Gebot“ wird von Foerster jegliches Zugeständnis seitens der Kirche an den Antisemitismus zurückgewiesen. So lehnt er ausdrücklich die Anwendung des Arierparagraphen auf die Pfarrerschaft ab, ebenso das Verbot der Judentaufe und den Ausschluss von sogenannten Judenchristen aus den evangelischen Kirchengemeinden. Das Recht der Willkür und der bloßen Machtausübung wird als Verstoß gegen das erste Gebot gebrandmarkt.

Unter Berufung auf die Confessio Augustana hält Foerster es für ein Gebot Gottes, Widerstand gegen den Missbrauch staatlicher Gewalt zu leisten – freilich „nur mit dem Wort und dem Martyrium“. Aus der Besinnung auf die Bekenntnisschrift erwächst ihm zufolge „die Verpflichtung, bekennende Kirche zu sein“.

Als die Bekennende Kirche selbst nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 eine klare Stellungnahme zur Judenverfolgung vermissen ließ, löste Foerster sich wiederum von ihr ab, hatte er doch selbst stets gegen judenfeindliche Äußerungen und Verhaltensweisen Position bezogen.

Nachdem Walter Kreck als Pfarrer der Französisch-reformierten Gemeinde in Frankfurt 1940 durch die Geheime Staatspolizei aus dem Gebiet der damaligen Evangelischen Kirche von Nassau-Hessen ausgewiesen worden war, nahm Foerster – bereits seit sechs Jahren im Ruhestand – auf Bitten Krecks und des Presbyteriums sich der verwaisten Gemeinde an. Der „Unterricht im Christentum für Erwachsene“ verdankt sich dem Wunsch von Predigthörern aus der Französisch-reformierten und seiner früheren Deutsch-reformierten Gemeinde. Dabei handelt es sich um einen sechs- bis achtstündigen Kursus, den Foerster mehrmals hielt.

Für Foerster ist die christliche Katechese primär eine zentrale Aufgabe der Kirche. Dabei sind die Adressaten nicht auf die Kinder und Jugendlichen einzuschränken, sondern es kommen gerade auch die Erwachsenen in Betracht. Entsprechend seiner theologischen Position versteht Foerster das Christentum nicht als Religion, sondern als Glaube an Gott, welcher sich auf Jesus Christus gründet. Greift er damit einen Grundsatz Barth’scher Theologie auf, lässt die Bezugnahme auf den Lehrer Jesus seine Herkunft aus der Ritschl-Schule erkennen.

Als Anknüpfungspunkt für den christlichen Glauben stellt Foerster das menschliche Versagen gegenüber dem göttlichen Willen heraus. In solcher Lage sei nur der auf Gottes Gnade vertrauende Mensch vor Gott gerechtfertigt. Solcher Gottesglaube gründe nicht in der Erfahrung von Natur und Geschichte, sondern allein im Evangelium, das die Offenbarung von Gottes Liebe in Christus verkündet.

Dass Foerster auch in mancher Hinsicht seinem liberalen theologischen Erbe treu geblieben ist, zeigt sich darin, dass er die Auferstehung Jesu nicht als Mirakel der Wiederbelebung eines Leichnams versteht, sondern als „die Offenbarung der durch menschliche Gewalttat nicht zu bezwingenden Macht des Geistes Christi oder des Evangeliums“.

Und auch darin erweist sich Foerster als ein Schüler Harnacks, wenn er der Lehre von dem väterlichen Gott in Christus den Vorrang gegenüber der Christologie und der Pneumatologie gibt.

Nachdem der erste Teil des „Unterrichts im Christentum für Erwachsene“ der Offenbarung Gottes in Christus gegolten hat, erörtert Foerster im zweiten Teil das daraus resultierende menschliche Verhalten. Dabei konzentriert er sich auf die politische Ethik. Angesichts des totalitären NS-Staates hält er daran fest, dass für den Christen der Gehorsam gegenüber der staatlichen Obrigkeit durch Gottes Gebot begrenzt wird. Wo die staatliche Obrigkeit – wie im Dritten Reich – die ihr von Gott gesetzten Grenzen überschreitet, habe die christliche Kirche in Übereinstimmung mit Luther passiven Widerstand zu leisten.