Leseprobe aus:
Jesus und die frühchristliche Verkündigung
„Wer wirklich Geschichte treibt, wird auf die Anfänge zurückgehen ...“ (Gustav Krüger*). Von diesem Wort lassen sich die folgenden exegetischen Untersuchungen leiten, die nach den Anfängen des Christentums zurückfragen.
Dabei richtet sich das Interesse nicht allein auf die ersten Ausformungen frühchristlicher Religion und Theologie, die sich mit Jesu Kreuzestod, den Osterereignissen und den Geisterfahrungen verbinden (Kapitel II-IV), sondern gerade auch auf die geschichtliche Gestalt Jesu von Nazareth, seine Botschaft und Wirksamkeit (Kapitel I), womit alles begann. Frühchristliche Religions- und Theologiegeschichte kann und darf die Frage nach dem historischen Jesus nicht ausblenden, will sie ihren Ausgang nicht bei einem gewissermaßen „vom Himmel gefallenen“ Kerygma nehmen, was mit historischer Methode unvereinbar ist.
In einem weiteren Schritt wird danach gefragt werden, inwieweit Jesus und das frühe Christentum mit ihren Erwartungen, Deutungen, Vorstellungen und Gedanken dem antiken Weltbild verhaftet waren. Ohne falsche Anpassung an den Zeitgeist geht es dann darum, die bleibende Wahrheit der Überlieferung von überholten mythologischen Ausdrucksformen zu befreien und im Kontext neuzeitlicher Welterfahrung zum Ausdruck zu bringen – wissend darum, daß auch diese Sicht geschichtlich bedingt und somit steter Veränderung unterworfen ist. Als Prüfstein für die theologische Wahrheitsfrage fungiert der irdische Jesus, da nur so sein Kyrios-Sein ernstgenommen wird (vgl. Mt 7,21) und Mythos sowie christliche Spekulation in ihre Schranken verwiesen werden können.
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* G. KRÜGER, Was heisst und zu welchem Ende studiert man Dogmengeschichte?, Freiburg i.Br. / Leipzig 1895, S. 21.