Sapere aude!

Leseprobe aus:

Andreas Rössler
Denkwege
eines freien Christentums

Raphael und Werner Zager (Hg.)


Zum Geleit

Es gibt nur wenige Theologen, die von sich sagen können, dass sie über einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten in ein und derselben Zeitschrift immer wieder eigene Beiträge veröffentlicht haben – seien es Aufsätze, Artikel oder Buchbesprechungen. Zu dieser kleinen Schar gehört der Stuttgarter evangelische Theologe und Pfarrer Dr. Andreas Rössler.

Aus Anlass seines 80. Geburtstags, den er am 18. April 2020 begehen darf, wird in diesem Band eine Auswahl seiner Beiträge erneut veröffentlicht, die zwischen 1969 und 2019 in der Zeitschrift Freies Christentum. Auf der Suche nach neuen Wegen erschienen sind. Aus Platzgründen wurde auf den erneuten Abdruck von Rezensionen, Tagungsberichten und Würdigungen einzelner Personen verzichtet.

Bei der genannten Zeitschrift handelt es sich um das Organ des Bundes für Freies Christentum, der 1948 in Frankfurt am Main gegründet worden ist. Der Bund für Freies Christentum versteht sich als ein Forum für offenen religiösen Dialog und ist ein Zusammenschluss überwiegend protestantischer Christen, die sich für eine persönlich verantwortete undogmatische, weltoffene Form des christlichen Glaubens einsetzen und dabei ein breites Spektrum von Auffassungen zu integrieren suchen (Geschäftsstelle des Bundes: Felix-Dahn-Straße 39, 70597 Stuttgart; Homepage: www.bund-freies-christentum.de).

Nachdem Andreas Rössler 1968 als junger Theologe – zu dieser Zeit Repetent am Evangelischen Stift in Tübingen – in den Bund für Freies Christentum eingetreten war, veröffentlichte er bereits im folgenden Jahr seinen ersten Aufsatz in dessen Zeitschrift. Seit 1971 gehört der Jubilar dem Vorstand an; darüber hinaus war er von 1987 bis 1990 Geschäftsführender Vorsitzender und arbeitete von 1972 bis 1990 in der IARF (International Association for Religious Freedom / Weltbund für religiöse Freiheit) mit. Als weitere berufliche Wegstationen sind zu nennen: Gemeindepfarrer in Stuttgart-Asemwald (1971–1978), Leiter der Abteilung Theologische Studien beim Evangelischen Gemeindedienst für Württemberg sowie in Personalunion Pfarrer für Ökumenische Studien beim Gemeindedienst und Geschäftsführer beim Evangelischen Bund / Landesverband Württemberg (1978–1991) und schließlich Chefredakteur des Evangelischen Gemeindeblatts für Württemberg (1992–2003). Nach seiner Pensionierung hatte er dann von 2004 bis 2012 die Schriftleitung der zweimonatlich erscheinenden Zeitschrift Freies Christentum inne. Zu seinem Markenzeichen gehörte das „Wort des Schriftleiters“, mit dem er das jeweilige Heft eröffnete. Dabei erwies er sich als Meister der kleinen Form, dem es gelingt, auf beschränktem Raum wesentliche theologische Gedanken zu entfalten. Aus diesem Grund wurden in den vorliegenden Band nicht nur Rösslers Aufsätze aufgenommen, sondern bewusst auch seine kürzeren Artikel.

Theologisch weiß sich Andreas Rössler insbesondere dem Denken Albert Schweitzers und Paul Tillichs verpflichtet. So verfasste er seine im Jahr 1971 angenommene Tübinger Dissertation über „Die Predigttheorie Paul Tillichs“. Aber auch die Frage der religiösen bzw. theologischen Sprache beschäftigt ihn seit seiner Magisterarbeit über „Ludwig Wittgenstein und das Problem der religiösen Sprache“, die er während seines Studienjahres 1965/66 am Union Theological Seminary in New York schrieb. Wie es dem Titel der Zeitschrift entspricht, ist die gesamte theologische Arbeit Rösslers von der Frage nach der Wahrheit bestimmt, von der Suche nach neuen Wegen, wie in unserer Zeit ein freies Christentum gedacht und gelebt werden kann.

Überblickt man die Beiträge aus 50 Jahren, die Andreas Rössler für die Zeitschrift Freies Christentum verfasst hat, so fügen sich diese zu einer Glaubenslehre im Geiste eines liberalen Protestantismus. Dabei werden kritische Anfragen nicht ausgeklammert, sondern redlich erörtert, um zu tragfähigen Antworten zu gelangen. Zugleich ist ein weiter Horizont zu erkennen, der religiöse, theologische und philosophische Perspektiven mit einbezieht. So ist es für Rössler charakteristisch, dass er in seinen kirchen-, theologie- und philosophiegeschichtlichen Betrachtungen stets darauf bedacht ist, Bezüge zur eigenen Gegenwart aufzuzeigen.

Die Veröffentlichung der Denkwege eines freien Christentums erfolgt seitens des Bundes für Freies Christentum in großer Dankbarkeit für theologisch inspirierende Beiträge über ein halbes Jahrhundert hinweg und in der Hoffnung, dass wir mit Andreas Rössler noch viele Jahre gemeinsam unterwegs sein dürfen.